Übersetzt von: Sigrun Zühlke | 352 Seiten | Die Chroniken von Alice #1 | 16.03.2020 | Penhaligon Verlag | 18,00€ | Hier kaufen
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Inhalt
Seit zehn Jahren ist Alice in einem düsteren Hospital gefangen. Alle halten sie für verrückt, während sie selbst sich an nichts erinnert. Weder, warum sie sich an diesem grausamen Ort befindet, noch, warum sie jede Nacht Albträume von einem Mann mit Kaninchenohren quälen. Als ein Feuer im Hospital ausbricht, gelingt Alice endlich die Flucht. An ihrer Seite ist ihr einziger Freund: Hatcher, der geisteskranke Axtmörder aus der Nachbarzelle. Doch nicht nur Alice und Hatcher sind frei. Ein dunkles Wesen, das in den Tiefen des Irrenhauses eingesperrt war, ist ebenfalls entkommen und jagt die beiden. Erst wenn Alice dieses Ungeheuer besiegt, wird sie die Wahrheit über sich herausfinden – und was das weiße Kaninchen ihr angetan hat …
Erster Satz
Wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte, sie sich bis ganz nach oben streckte, die Wange an die Wand legte und den Kopf nach links drehte, konnte sie durch die Gitterstäbe gerade so den Rand des Monds sehen.
Meine Meinung
„Alice im Wunderland“ hat mich schon immer fasziniert, auch wenn ich mich noch nie intensiv mit ihrer Geschichte auseinander gesetzt habe. Dennoch war ich gleich begeistert, als ich die Neu-Interpretation des Klassikers im Programm von Penhaligon entdeckt habe und wollte sie gleich lesen.
Wir befinden uns 10 Jahre nachdem Alice dem weißen Hasen entkommen konnte. Nach 10 langen Jahren im Irrenhaus konnte sie nun bei einem Feuer gemeinsam mit ihrem einzigen Trost, dem kranken Axt-Mörder Hatcher, fliehen. Bei dem Feuer entkommt allerdings auch das gefährliche Wesen im Keller des Irrenhauses, das nun in der Stadt wütet. Alice und Hatcher begeben sich auf die Suche nach einer Waffe, die das Wesen besiegen könnte und erfahren dabei immer mehr über sich selbst und das, was geschehen war.
Alice ähnelt sehr der Figur aus dem Original. Sehr naiv und gutgläubig, weiß nicht viel über die große weite Welt und will nur Gutes tun. Da sie seit 10 Jahren als Verrückte abgestempelt wurde, weiß sie langsam selbst nicht mehr, was wahr ist und was gelogen. Sie entwickelt sich außerdem wunderbar weiter, von dem anfänglich gebrochenem Mädchen zu einer starken jungen Frau, die bereit ist, für ihr Leben zu kämpfen.
Hatcher ist als Axt-Mörder bekannt und auch jetzt scheut er nicht davor zurück, Feinde ohne zu Zögern umzulegen. Doch für die Personen, die ihm nahe stehen, würde er alles tun – auch seine weiche Seite zeigen. Auch er hat große Gedächtnislücken, doch er weiß mehr über das „Wunderland“, als er zunächst glaubt.
Beide Charaktere haben mir besonders in Kombination sehr gut gefallen. Während Hatcher sehr impulsiv handelt, kann Alice ihn häufig zurückhalten. Doch anders herum, klärt Hatcher die unschuldige Alice über Gefahren auf und nimmt sie in Schutz. Sie waren ein wunderschönes Team, dessen gemeinsame Dynamik ich sehr gerne erlebt habe.
Auch die anderen Charaktere haben mir sehr gut gefallen, besonders die Bezüge zum Original fand ich sehr interessant. Alle Figuren sind nicht aus dem Nichts gestapft, sondern sind alte Bekannte, die in mörderischer Neuinterpretation auftauchen. Während die Grundzüge der Charaktere zwar ähnlich sind, bildet das Gesamtbild dieser jedoch schaurige und widerliche Menschen. Es ist, als hätte die Autorin sich die negativste Eigenschaft jeder Figur als Grundlage genommen und drumherum das schrecklichste gesponnen, was sie sich hätte vorstellen können.
Geschrieben ist der Roman in der Er-Sie-Form, die sehr dem Original ähnelt. Während Lewis Carroll häufig Nebensätze in Klammern setzt, hat auch Christina Henry dies sehr häufig angewandt. Der Schreibstil passt perfekt zu Alice‘ naivem Wesen, das durch ihre Wortwahlen ganz besonders zum Vorschein kommen konnte. Gleichzeitig schreibt sie schonungslos brutal und sehr explizit, was nichts für schwache Nerven ist. All das hat mir aber wahnsinnig gut gefallen, da ich regelrecht durch die Seiten geflogen bin.
Was ist wahr und was nicht? Wer ist Gut und wer ist Böse?
Die Handlung ist düster, verstrickt, gruselig und blutig, also ganz klar nichts für Kinder und Jugendliche!
Gemeinsam mit Alice arbeiten wir uns langsam durch die düstere Stadt und lernen schnell, dass einige Figuren hier das Sagen haben, diese Stadt dominieren und mit ihren Bewohnern tun, was sie möchten. Es bildet sich ein Gerüst Verbündeter, wie die großen Bosse zueinander stehen und was für schreckliche Geschäfte sie machen. Ich möchte noch nicht zu viel verraten, aber eine Trigger-Warnung ist bei diesem Buch definitiv angebracht!
Meiner Meinung wurden die Erinnerungen von Alice und Hatcher, sowie die großen Verbindungen zwischen den Charakteren wunderbar aufgearbeitet, sodass ich bei der Handlung stets voller Spannung mitgefiebert habe.
Kleine Kritik am Ende, obwohl mir das Drumherum so gut gefallen hat, dass ich es gar nicht so negativ sehe: das Ende, auf das so lange hingefiebert wurde, das mit einem großen Knall hätte kommen sollen, war mir zu flach. Während die ganze Handlung in seiner gesamten Schaurigkeit auf einen bestimmten Punk hinarbeitet, war dieser „Höhepunkt“ zu mild, ungruselig und zu schnell geschafft.
Achtung, Spoiler! Klicke auf diesen Satz, um weiterzulesen.
Wir sind in einer Welt gelandet, in der täglich mit Mädchen und Frauen gehandelt wird. Menschenhandel, Entführungen, Prostitution, Vergewaltigungen, Verstümmelungen, keine wird verschont. Die Hauptcharaktere sind allesamt Bosse ihrer eigenen Gangs, die den Bewohnerinnen der Stadt das Leben zur Hölle machen. Das weiße Kaninchen, das Alice für sich wollte und vergewaltigt hat, bis diese schließlich fliehen konnte, gehört selbstverständlich auch dazu. Aber auch zahlreiche andere Mädchen werden festgehalten, missbraucht und gequält. Die Szenen sind teilweise so schrecklich, dass ich sie in verfilmter Form niemals hätte ansehen können und auch so war es teilweise wirklich schwer zu lesen.
Fazit
Es ist eine wahnsinnig spannende und schaurige Geschichte entstanden, die das Schreckliche der Welt gebündelt und in ihre Charaktere gesteckt hat. Während die Feine von mir voller Hass betrachtet wurden, haben Alice und Hatcher sich in mein Herz geschlichen, sodass ich mich wie eine von ihnen gefühlt habe. Eine sehr empfehlenswerte, düstere, blutige und schaurige Interpretation von „Alice im Wunderland“, die mich in all ihren Facetten gleichermaßen angewidert, fasziniert und gefesselt hat.
Ein ganz großes Dankeschön an den Verlag für die Bereitstellung eines Rezensionsexemplars!
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