Übersetzt von: Ulrike Werner-Richter | 461 Seiten | Einzelband | 30.09.220 | LYX Verlag | 12,90€ | Hier kaufen
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Inhalt
Was, wenn unsere Liebe mein Untergang ist?
Als Azalées Mutter stirbt, bleibt ihr nichts anderes übrig: Sie muss nach vier Jahren zum ersten Mal in ihre Heimatstadt zurückkehren. Augenblicklich holen sie dort die schrecklichen Erinnerungen an ihre Vergangenheit ein. Doch nicht nur das: Azalée lernt auch ihren neuen Nachbarn Eden kennen. Er ist sexy und geheimnisvoll, und auch wenn sie sich geschworen hat, niemals Gefühle für einen Mann zu entwickeln, berührt er sie auf eine Weise, die ihre Welt mit jedem Tag ein bisschen mehr ins Wanken bringt …
Erster Satz
Es ist fünf Uhr morgens.
Meine Meinung
Nachdem ich bereits die Never-Reihe der Autorin über alles geliebt habe, war ich super gespannt auf ihre Neuerscheinung. Das Cover gefällt mir sehr gut, ich mag die gewählten Farben in Kombination mit den kleinen Gold-Sprenkeln. Auf die Geschichte war ich sehr gespannt, vor allem weil der Klappentext eher weniger verrät, die ersten Rezensionen den Inhalt aber sehr hochgelobt haben.
Nach dem Tod ihrer Mutter ist Azalée dazu gezwungen, in ihre Heimatstadt zurückzukehren. In die Stadt, in der sie verachtet wird und in der ihre schlimmsten Dämonen auf sie warten. Doch dann trifft sie auf ihren neuen Nachbarn Eden, der sie ganz anders anschaut, als die anderen Einwohner der Stadt. Eden, der sie trotz seiner eigenen Geheimnisse immer mehr zurück ins Leben holen kann…
Azalée ist vor etwa 4 Jahren aus ihrer Heimatstadt geflohen und hat niemandem erzählt, wo sie hingeht. Sie wollte ihre Vergangenheit hinter sich lassen und hat dabei auch ihre letzten Freunde von sich gestoßen. Eigentlich ist sie jetzt glücklich, arbeitet in einer Bäckerei und backt für ihr Leben gern Cupcakes. Doch der Tod ihrer Mutter reißt sie aus ihrem neuen Leben zurück in ihr Altes. Azalée hat in ihrer Jugend einiges durchmachen müssen, wodurch sie abweisend und kühl geworden ist. Sie reagiert oft mit Ironie und Sarkasmus, um ihre Gefühle besser verbergen zu können und ist besser darin, alle von sich zu weisen, als jemanden zu nah an sich zu lassen. Nach außen hin wirkt sie sehr distanziert, fast schon gefühlsarm, doch in Wahrheit lodern die Gefühle in ihr, ohne dass sie sie zu fassen bekommt. Außerdem ist sie eine große Feministin, die durch ihren feministischen Podcast Aufmerksam auf das Thema lenken möchte und ihren Hörer*innen dieses nahelegen möchte.
Trotz ihrer abweisenden und kühlen Art ist mir Azalée sehr sehr schnell ans Herz gewachsen. Sie wirkt zwar oft arrogant und unnahbar, doch vor allem die Kapitel aus ihrer Perspektiven zeigen ihr zerbrechliches, wahres Ich. Sie ist unglaublich stark und hat im Laufe des Buches immer mehr Vorbild für mich werden können. Besonders ihren Einsatz für feministische Themen und ihr Podcast haben mir noch einiges neues beibringen können. Außerdem macht sie eine wirklich beachtliche Entwicklung in diesem Buch durch. Sie ist zwar von Anfang an eine wahre Kämpferin, entwickelt sich aber wie gesagt noch wunderbar weiter.
Ich habe mich unterwegs selbst verloren.
S. 43
Ihr Love Interest ist Eden, ein junger Mann, der nach ihrer Flucht in das Haus nebenan gezogen ist. Er hat einen kleinen Hund und eine große Liebe zur Musik mitgebracht und verfolgt einen Plan, der mit seinem Geheimnis im Zusammenhang steht. Auch er hat einiges durchgemacht, befindet sich aber gerade auf seiner großen Reise zu seinem besseren Ich. Er bemüht sich stets, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich ins positive weiter zu entwickeln, da er nur so sein großes Ziel erreichen kann. Er ist ebenfalls sehr stark und kämpft stets für das, was er erreichen möchte. Eden reißt viele Witze, ist liebevoll und emotional, kann aber auch ernste und tiefgehende Gespräche führen. Er ist einfach die perfekte Mischung, in die man sich einfach nur verlieben kann. Er war wie der perfekte Anker für die Geschichte und für Azalée.
Die sich entwickelnde Liebesgeschichte zwischen den beiden hat mir unglaublich gut gefallen. Sie verläuft einerseits sehr ruhig, gleichzeitig aber auch unglaublich intensiv. Vielleicht mag diese Intensität sehr schnell auftauchen, aber trotzdem empfand ich das Tempo als sehr realistisch. Die beiden passen unglaublich gut zusammen und scheinen sich perfekt zu ergänzen. Eden fängt Azalée wirklich gut auf und ist der perfekte Anker für die Beziehung. Zu sehen, wie er mit ihr umgeht hat mir ehrlich das Herz erwärmt.
Doch seit Azalée und ich uns nähergekommen sind, scheint plötzlich alles in Reichweite zu sein, sogar die Sterne. Manchmal fühle ich mich fast unbesiegbar.
S. 240
Es gibt zudem einige Nebenrollen, die teils eine größere Rollen spielen, teils eine etwas kleinere, aber alle haben mir sehr gut gefallen (außer der Antagonist natürlich). Der Freundeskreis von Azalée und Eden ist von Diversität geprägt und das auf eine ganz natürliche Art und Weise, die auf keinen Fall erzwungen wirkte. Es haben sich ein paar interessante Geschichten entwickelt, die ich nur zu gerne weiter verfolgen würde und gleichzeitig entwickeln sich auch die Nebencharaktere wirklich wunderbar weiter im Laufe der Handlung.
Der Roman beginnt mit einem Prolog, der vor 6 Jahren stattfindet, verläuft danach aber chronologisch ohne größere Zeitsprünge. Die Kapitel wurden jeweils in der Ich-Form, aber abwechselnd aus Edens und Azalées Perspektive geschrieben. Der Wechsel war hier sehr angenehm und hat mir sehr gut helfen können, beider Gefühle und Gedanken nachvollziehen zu können. Der Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen und gleichzeitig vermittelt er ganz wunderbar die Emotionen der Figuren.
Aber kommen wir mal zum Inhalt, denn der hatte es wirklich in sich. Dem gesamten Roman geht eine Trigger-Warnung voran, die die thematisierten Themen bereits nennt und somit vor potentiell triggernden Inhalten bereits warnt. Das gibt es mittlerweile bei mehreren Romanen und ich muss zugeben, dass eventuell noch nie so nötig war, wie hier. Es werden verschiedene Themen aufgegriffen und im Laufe des Romans sehr explizit und ungeschönt dargestellt, weswegen diese Warnung definitiv sehr nötig war.
Auf die Themen selbst möchte ich weiter unten noch eingehen, zunächst möchte ich aber ohne Spoiler über den Inhalt sprechen.
Ich habe keine Energie mehr. Aber ich werde es versuchen. Immer und immer wieder.
S. 422
Wie gesagt sind die Themen hier alles andere als leichte Kost, es werden schwere Themen behandelt, die wirklich authentisch und ungeschönt dargestellt werden. Ich hatte hier an keiner Stelle das Gefühl, etwas war zu übertrieben oder unrealistisch und gleichzeitig gab es auch nirgends eine Art Wunderheilung für Probleme, sondern authentische Heilungsprozesse. Besonders die schockierende Ehrlichkeit hinter den Geschehnissen hat mich sehr fasziniert.
Ein Thema, welches sich durch das gesamte Buch zieht, das ich gerne nennen möchte ist der Feminismus. Wie gesagt hat Azalée einen feministischen Podcast, der jedes neue Kapitel mit ein paar schönen Zeilen einleitet. Es geht um alles, was Feminismus umfasst und hatte dadurch auch einen schönen lehrenden Charakter. Es wird darauf eingegangen, dass Feminismus Gleichberechtigung aller Geschlechter bedeutet und nicht „Frauen > Männer“ ist. Es wird erläutert, dass diese Gleichberechtigung noch längst nicht erreicht ist, obwohl man eventuell den Eindruck haben könnte. Die Passagen sind jeweils etwa eine halbe Seite lang, aber ich hätte gerne noch mehr darüber lesen können. Ich habe einiges neues gelernt und meine Neugierde der ganzen Thematik gegenüber ist noch größer, als sie es sowieso schon war.
Ein weiteres Thema, welches ich auch schon vorweg nehmen möchte ist Mobbing. Wie genau das in diesem Buch stattfindet verrate ich hier nicht, doch auch der Umgang mit diesem Thema hat mir im Zusammenhang mit der Handlung sehr gut gefallen. Es wird schnell klar gemacht, dass Mobbing kein Ding ist, das auf dem Schulhof stattfindet und nur von Jugendlichen ausgeübt wird. Es zeigt, wie schwer die Opfer damit zu kämpfen haben und wie blind die Täter ihren Folgen gegenüber sind. Auch hier war der Verlauf überraschend ehrlich und auch hier gab es keine wundervolle, magische Lösung für sämtliche Probleme.
Spoiler anschauen:
Als Azalée auf dem Ehemaligentreffen ihrer alten Stufe auf die Bühne tritt und ihr Mobbing und ihre Vergewaltigung anspricht hatte ich Gänsehaut. Endlich traut sie sich, etwas zu sagen! Umso mehr hat es mich überrascht, als ihre ehemaligen Mitschüler*innen ihr keinen Glauben schenken und sie dadurch nur noch mehr zum Gespött der Stadt wird. Eigentlich hatte ich erwartet, dass sich danach alle in den Armen liegen und Azalée von heuchlerischen Entschuldigungen überschüttet wird. Dass es nicht so war, macht es allerdings leider realitätsgetreuer, weswegen ich es hier überraschend ehrlich fand.
Als hätte ich an dieser Stelle nicht schon genug gesagt, muss ich nun doch auf die sämtlichen anderen Themen eingehen, weswegen ich sie hinter einer Spoiler-Warnung verstecke.
Spoiler anschauen:
Das Thema Vergewaltigung ist eins der wenigen Themen, die mich beim Lesen triggern, anwidern und anekeln. Ich komme in der fiktiven Welt der Romane und Filmen mit vielem klar, nur eben damit nur sehr schlecht. Die Warnung im Vorwort hat mir da schon geholfen, so wurde ich vom Thema nicht überrascht und konnte entsprechende Szenen im Buch schnell überfliegen. Und genau das ist auch noch mal ein Punkt, warum eine TW sehr wichtig ist. Nichtsdestotrotz habe ich mich auf den Roman gefreut und habe die Handlung um Azalée sehr gerne verfolgt. Auch wenn das Thema ein schweres ist, fand ich die Umsetzung in diesem Buch sehr gelungen. Es war realistisch, dass Azalée sich nicht traut, etwas zu sagen. Dass sie sich in den Sex mit anderen flüchtet und eine Mauer aus Sarkasmus um sich herum aufbaut, um sich nicht mit ihren Gefühlen auseinander zu setzen. Es war realistisch, dass es sie mitnimmt und nicht loslässt, dass sie Jahre danach noch damit zu kämpfen hat es nicht verarbeiten kann. Es war auch leider realistisch, dass sie daraus ein selbstverletzendes Verhalten entwickelt hat und einen Suizid begehen wollte. Es ist so tragisch und authentisch, dass es meiner Meinung nach ein perfektes, tragisches Buch geworden ist. Zudem mochte ich ihre Entwicklung in dem Sinne, dass sie sich erst traut etwas zu sagen, als sie merkt, dass sie nicht das einzige Opfer ihres Stiefvaters geworden ist. Dass sie, wenn sie jetzt die Wahrheit erzählt, das Leben eines weiteres Mädchen retten kann. Ich mochte es, dass ihre Entwicklung nicht plötzlich und auf wundersame Weise kam, sondern nach und nach und dass sie auch am Ende des Romans nicht geheilt ist, denn so ist das nicht. Ein Thema, über das ich noch ewig lange reden könnte, aber zusammenfassend muss ich sagen: es ist authentisch dargestellt und hat mir das Herz beim Lesen gebrochen.
Ich versuche mich kurz zu halten, auch wenn ich noch ganz viel zu sagen habe. Nachdem ich das Buch beendet habe, haben mir lange die Worte gefehlt und ich wusste lange nicht, wie ich diese Rezension schreiben soll. Das Buch ist mit wahnsinnig nahe gegangen und hat mich nachhaltig beeindruckt, weswegen ich das Gefühl habe, meine Worte werden dem nicht gerecht.
Fazit
Ein atemberaubendes Buch, das mit Ehrlichkeit und der ungeschönten Wahrheit schockiert, die mir immer wieder das Herz brechen konnte. Azalée ist eine Kämpferin, die immer wieder aufstehen kann und mir so vieles beibringen konnte, während Eden mir immer wieder ein Lächeln auf die Lippen gezaubert hat. Als ich das Buch angefangen habe, habe ich nicht damit gerechnet, dass es mich so begeistern würde. Die angesprochenen Themen wurden wunderbar miteinander vereint und die Handlung hat mich von der ersten Seite an fesseln können. Ich war nicht bereit, Azalée und Eden schon gehen zu lassen und ich hätte sie unglaublich gerne noch länger während ihrer Reise begleitet.
Ein ganz großes Dankeschön an den Verlag, der mir ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat!
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